Abounaddara ist ein anonymes Filmkollektiv aus Syrien. Seit 2011 veröffentlichen sie jeden Freitag ein kurzes dokumentarisches Video auf der Onlineplattform Vimeo. Sie nennen ihre Arbeit »Notfall-Kino«. Der Name der Gruppe (Spitzname für einen Mann mit Brille) ist eine Anspielung an Dziga Vertovs »Mann mit der Kamera« und seiner Überzeugung von der revolutionären Kraft des Dokumentarfilms.
Abounaddara kombinieren die Ästhetik des Films mit den Mitteln des Internets, um Gegen-Informationen zu schaffen, Alternativen zu den Schock-Bildern der Medien. Dabei gelingt es den Filmen, die üblichen Fallen der Berichterstattung zu umgehen: Sie machen weder Helden noch repräsentieren sie Opfer. Abounaddara arbeiten eng mit den in den Filmen gezeigten Individuen zusammen, und bestehen auf das Recht aller Menschen auf ihr eigenes (würdevolles) Bild. In der Kombination aus der Zeitlichkeit des Journalismus und der Poetik des Kinos teilen die Protagonisten ihren Alltag mit »uns«, den Betrachtenden.
Eintritt frei
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Abounaddara is an anonymous film collective out of Syria. Since 2011, they are publishing a short documentary video every Friday at the online platform Vimeo. They call their work »Emergency Cinema«. The name of the group (nickname for a man with glasses) is an allusion to Dziga Vertov’s „Man with a Movie Camera“ and his firm conviction in the revolutionary power of the documentary.
Abounaddara combine the aesthetics of the film with the means of the Internet to create counter-informations, alternatives to the shock images of the media. In doing so, the films succeed in avoiding the usual pitfalls of media coverage: they neither make heroes nor represent victims. Abounaddara work in close collaboration with the individuals featured in the videos and defend the right of everyone to a dignified image. In the combination of the temporality of journalism and the poetics of cinema, the protagonists share their everyday life with „us“, the spectators.
Admission free
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Über die Filmreihe:
Seit der Moderne ist es vor allem das gesellschaftlich engagierte Kino von Eisenstein bis Farocki, das mit dem Anspruch auftritt, politische Ziele, aber auch Kritik erst in Bildern zu formulieren, um diese dann in der gesellschaftlichen Realität durchzusetzen. Heute hat sich dieser engagierte Film vielerorts in den Räumen der zeitgenössischen Kunst aufgelöst; aus dieser Verbindung entstehen neue Projekte, die den Zuschauer einbinden und aktivieren wollen: Als Rezipientin einer radikal anderen Lebensvorstellung, als Teilhaberin einer kommenden Gemeinschaft. Dabei verbinden sich alte und neue Strategien des Einbeziehens des Publikums, wie das Brechtsche Theater und Konzepte der Performativität. Performativität hat dabei eine doppelte Bedeutung und ist zum einen im Sinne des englischen Performance auf Auftritte und Darstellungen zu verstehen. Zum anderen geht es bei Performativität darum, wie bestimmte Auftritte und Darstellung, im Gegensatz zur Repräsentation, selbst Realitäten schaffen, statt auf sie zu verweisen. Für die Filmreihe ist diese zweite Bedeutung, die auf den amerikanischen Sprachphilosophen John Austin und seine berühmten, unter dem Titel How to Do Things With Words zusammengefassten Vorlesungen zurückgeht, zentral. In einer Auswahl von filmgeschichtlich relevanten sowie zeitgenössischen Arbeiten geht es um Filme »die etwas machen«, die Wirklichkeit herstellen, eine Situation entscheidend verändern; in denen die Kamera, das Filmteam, die Produktion eine Situation zuspitzt, aufdeckt, unmöglich oder eben erst möglich macht.
Dabei geht es um die Möglichkeiten eines aktivistischen Kinos, um engagierten Dokumentarfilm, sowie um die Beschränkungen, mit denen sich künstlerische und politische Filmprojekte konfrontiert sehen, wie direkte und indirekte Zensur. Die Reihe findet im Luru Kino statt, um dort eine intensive kritische Auseinandersetzung im Gespräch von Publikum und eingeladenen Expert_innen zu ermöglichen.
Die Filmreihe wird kuratiert von Lena Brüggemann, Anke Dyes und Clemens von Wedemeyer.