DSCH 2

Beteiligte Künstler*innen: Ksenia Bashmakova, Katharina Bayer, Minhye Chu, Christoph Gnädig, Till Hunger, Sijo Choi Kim, Haiguang Li, Yunseon Jeong, Franziska Koppmann, Theresa Münnich, Valério de Araújo Silva, Ingmar Stange, Yara Saleh, Adrian Q. Vardi, Amel Alzakout

Eröffnung der Ausstellung am 1.5.2022

Vom 6.2.-13.2. 2022 fand der erste Teil der Ausstellung DSCH zu den kammermusikalischen Werken von Dmitri Schostakowitsch im Gewandhaus zu Leipzig statt. An dessen Anfang stand die Idee, die Streichquartette in einen Dialog mit künstlerischen Arbeiten der Hochschule für Grafik und Buchkunst zu setzen. Die Klasse expanded cinema von Clemens von Wedemeyer und Mareike Bernien entwickelte dafür medienübergreifende und ortsspezifische Interventionen, die parallel zu den Aufführungen des vollständigen Zyklus der Streichquartette in zwei Foyers und an anderen Orten zu sehen waren.

Am 24. Februar 2022 startete die russische Föderation einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. In den letzten Wochen wurden wir dabei Zeug*innen brutalster Kriegsverbrechen von Seiten der russischen Armee, der medienpolitischen Abkapselung und Repression widerständiger Stimmen innerhalb Russlands. Wir verurteilen diesen Krieg vehement und stellen uns solidarisch mit den Menschen in der Ukraine, die angesichts der Aggression Russlands gezwungen sind, sich zu verteidigen oder zu fliehen.

Durch den Krieg lesen sich die Werke des zweiten Teils der Ausstellung DSCH neu, und auch für das individuelle Schaffen jedes Ausstellenden bedeutet es eine Zäsur. Die Repression, der sich Schostakowitsch als Komponist unter Stalin ausgesetzt sah, resoniert auf unheimliche Weise mit heutigen Praktiken des russischen Regimes. Schostakowitschs Position changierte damals zwischen Anpassung an das stalinistische Regime und der ästhetisch-politischen Unterwanderung des sozialistischen Realismus. Die Ausstellung DSCH versteht Schostakowitsch als ein Echolot seiner Zeit und nimmt seine Musik als Ausgangspunkt für einen mehrstimmigen, kritischen Kommentar, der seine Musik neu verortet und in Bezug zu anderen biografischen Räumen – insbesondere denen der Studierenden – setzt: Was heißt es, ängstlich, ohnmächtig oder verfolgt auf gepackten Koffern zu sitzen? Wie verändert sich Sprache, wenn das Offensichtliche nicht gesagt werden darf? Wie klingt die Musik der achten Symphonie neben privaten Erinnerungsbildern aus Syrien? Welche musikalischen Stimmen wurden durch den Erfolg von Schostakowitsch verdeckt? Wann wird (klassische) Musik selbst wieder zum Instrument wird, das Machträume strukturiert und hierin Ein- und Ausschlüsse formatiert?

Faltblatt als PDF herunterladen

Auf dem musikhistorischen Panorama-Wandbild Musik und Zeit (1981) von Frank Ruddigkeit explodieren Farben und Symbole einer partikularen Vision der (musikalischen) Menschheitsgeschichte. Es wurde für das Gewandhaus als Auftrag gemalt und die Ausstellungsmacher*innen haben es in diesen Wochen temporär abdecken lassen. Einzig freigesägt wurde Dmitri Schostakowitsch, der neben Komponisten steht, die uns direkt ansehen und die keine Vertreter des sozialistischen Realismus sind.

Ksenia Bashmakova geht auf einen 40 Jahre währenden Briefwechsel zwischen Dmitri Schostakowitsch und seinem Freund Isaac Glikman ein. In der Installation Was ich sagen wollte. Was ich gesagt habe (2022) arbeitet sie dabei heraus, wie die persönliche Korrespondenz zur Möglichkeit wird, Gefühle aus der Ferne zu zeigen, und Informationen zu kodieren. Zwischen den Zeilen wird dabei eine Poesie der Einsamkeit, Ungewissheit, Angst und Isolation lesbar, die sich in den neu arrangierten Zitaten aus Briefen an einen Freund manifestieren.