Im Seminar „Leaking Bodies (and Machines)“ werden wir uns gemeinsam damit auseinandersetzen, wie Informationen digital ausgetauscht und verbreitet werden. Den Begriff „Leaking“ untersuchen wir dabei als Bild für jedwede undichte Stelle, sei es die persönliche Mitteilung, die aktivistische Ansage, provokatives Trolling oder die automatisierte Platzierung und Verbreitung von Information. „Leaking“ ist soziales Bindemittel derer, die eingeweiht sind, ein Integritätsverstoß, Akt sozialer Kontrolle oder eine mögliche Bedrohung politischer Machtverhältnisse. Es ist die potentielle Multiplizität virtueller Mundpropaganda.
Hinsichtlich der Mittel und Strategien des „Leakings“ stehen im Seminar zeitgenössische Kommunikationsformen im Zentrum der Betrachtung, welche maßgebliche Auswirkung auf unsere Wahrnehmung und Artikulation von Realität haben. Durch die Entwicklung neuer Technologien ist unsere Kommunikation in stetiger Veränderung begriffen: Mainstreamtechniken der Onlinekommunikation, wie VoIP, Livestream, Video Messaging, Snippets und Social Media sind alltägliche Transmitter, womit Gesellschaft maßgeblich zu einer mediatisierten Erfahrung wird und neoliberale Tendenzen in unserer Gesellschaft permanent präsent sind. Dies bringt auch eine – neu aufgelegte – Privilegierung von Oralität mit sich, wenn genauso Bilder in sozialen Medien als Sprechakte funktionieren (beispielsweise gifs, Emojis, Snapchat etc.).
Diese Kommunikations-Strategien verbleiben kaum als individuelle Ausdrücke, sondern haben immer auch das Potential reale soziale oder politische Effekte zu haben. Sie (re)produzieren soziale Verbindungen und politische Haltungen, sind aber genauso ein politisches Instrument, als Mittel der Überwachung, zur Installierung von Normen oder als Ausdruck von (zunehmend polarisierenden) Wertungen. In dieser Aufmerksamkeits-Ökonomie ist Geschwindigkeit von großer Bedeutung, bleibt der erste Eindruck oft hängen und bedeutet „going viral“ nicht selten auch Eskalation.
Im Seminar werden wir uns mit den theoretischen Grundlagen der oben beschriebenen Zusammenhänge auseinandersetzen, wollen aber auch gemeinsam darüber nachdenken und erproben, welche Rolle „Leaking“ für die eigene künstlerische Praxis spielen könnte. Für eine Teilnahme am Seminar ist die Lektüre der Publikation „Updating to Remain the Same: Habitual New Media (MIT Press) von Wendy Hui Kyong Chun sowie andere Referenzliteratur verpflichtend. Das Seminar findet zweiwöchentlich von 16:00 – 19:00 Uhr statt.
Seminarleitung: Anna Jehle und Julia Kurz
Gäste im Seminar:
Anja Kaiser –> http://www.anjakaiser.info
Francis Hunger –> http://www.irmielin.org
© Anja Kaiser